Eine anatomische Studie zur Frage nach der Existenz von vertebropericardialen Ligamenten |
Jürgen Seidler
Hintergrund Die Kenntnis der anatomischen Relationen des Pericardiums hinsichtlich seiner Befestigungen, oder seiner „Aufhängung“ könnte eine Vorraussetzung bilden für das Verstehen der pericardialen Mobilität, und die Folgen einer möglichen Mobilitäts-Einschränkung. Geht man davon aus, dass es ligamentäre Verbindungen zur Wirbelsäule gibt, so muss dieses Berücksichtigung finden innerhalb der osteopathischen Behandlung, hinsichtlich der perikardialen, kardialen und vertebralen Funktion und Mobilität. Ziel der Arbeit Es soll in dieser anatomischen Studie herausgefunden werden, welche Verbindungen das Pericardium zur Wirbelsäule eingeht, und ob vertebroperikardiale Ligamente innerhalb dieser Relation existieren. Methoden Im ersten Teil der Arbeit wird eine Literaturrecherche vorgenommen. Diese erfolgt sowohl in medizinischen Datenbanken, als auch innerhalb der zeitgenössischen und antiquarischen osteopathischen und anatomischen Literatur unter zwei Fragestellungen. Die erste lautet, ob es Ligamenta vertebropericardia gibt, und wie der Verlauf beschrieben wird. In zweiter Instanz wird der Fragestellung nachgegangen, wie die allgemeinen pericardio-vertebralen Relationen in der Fachliteratur beschrieben werden, unabhängig von der Existenz einer ligamentären Verbindung. Im zweiten Teil der Studie wird eine anatomische Untersuchung an 15 Präparaten an der Universität in Heidelberg und der Ludwig-Maximilian-Universität in München vorgenommen, und die untersuchte Region dokumentiert und bewertet. Ergebnisse Die Literaturstudie ergibt, dass die Bezeichnung Ligamenta vertebropericardia auf die Beschreibungen eines französischen Anatomen des 19. Jahrhunderts, J.J.B.Bérard, zurückgeht. Diese Benennung hat sich nur bei einigen wenigen französischen Anatomen des 20. Jahrhunderts, und in der osteopathischen Literatur erhalten, welche sich der Viscera widmet, nicht jedoch in der internationalen medizinischen Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts. Die anatomische Untersuchung hat zum Ergebnis, dass bei zwei Präparaten ligamentartige Faserzüge vorgefunden wurden. In allen anderen untersuchten Präparaten wurden keine Ligamente zwischen Pericardium und Wirbelsäule angetroffen. Ein weiteres Ergebnis war, dass das Pericardium als Bestandteil einer faszialen Einheit gesehen werden kann, welche sich als Umhüllung der cervicalen Viscera bis zum Cranium, und, im thoracalen Bereich bis zum Diaphragma thoraco-abdominalis erstreckt. Auch die Verbindungen des Pericardiums zur Wirbelsäule und zum Sternum stellten sich als Fortsetzung dieser Fascia visceralis dar, innerhalb derer sich, je nach körperlichem Allgemeinzustand, mehr oder weniger kollagene Elemente befanden. Ebenfalls wurden in fünf Fällen laterale kollagene Faszienverdickungen im ventralen Anteil dieser Fascia visceralis gefunden, welche nach caudal medial zusammenflossen, und in das Ligamentum sternopericardiacum wie auch in das superiore Pericardium übergingen. Hierbei handelte es sich, vergleicht man dies mit den Ergebnissen der Literaturstudie, um die in der französischen und osteopathischen Literatur beschriebenen „Ligamenta cervicopericardia“. Schlussfolgerung Es ist davon auszugehen, dass grundsätzlich keine Ligamenta vertebropericardia im Körper angelegt sind, und schon gar nicht von einer ligamentären „Aufhängung“ gesprochen werden kann. Die perikardialen Verbindungen zu seiner Umgebung sind eher faszialer Natur, welche sich offenbar unter dem Einfluss von vermehrten Spannungen, oder Zugkräften darauf, in der Zusammensetzung ihrer Faserstrukturen verändern. Dies betrifft nach den gemachten Beobachtungen alle Verbindungen des Pericardiums, einschließlich des so genannten Ligamentums sternopericardiacum. Für die Osteopathie kann dies in soweit von Bedeutung sein, als dass Behandlungen unter anderem zum Ziel haben könnten, das sich der Körper in einem Funktionszustand befindet, in dem sich möglichst erst gar keine ligamentartigen Verbindungen zwischen dem Pericardium und seiner Umgebung entwickeln, damit die Mobilität in allen Strukturen in dieser Region in ihrer ursprünglichen Form gewährleistet bleibt. Darüber hinaus ist es für die osteopathische Diagnose und Behandlung wichtig, das Pericardium als Teil einer homogenen faszialen Verbindung zu sehen zwischen dem Cranium, der Wirbelsäule und dem Sternum bis hinunter zum Diaphragma thoracolumbalis, einschließlich der von ihr eingescheideten cervico-thoracalen Viscera und Leitungsbahnen. |