Untersuchung der Reproduzierbarkeit osteopathischer Tests am Beispiel des Beckens

Monteiro-Ferreira J., Rößel-Bretschneider A., Thuillier L.

Hintergrund: Aus der Literatur heraus zeigt sich, dass die Evaluierung diagnostischer Tests sich noch in einem Entwicklungsstadium befindet, denn die meisten Studien zu diesem Thema weisen gravierende methodische und inhaltliche Mängel auf.

Studienziel: Die Ziele dieser Studie waren zum einen, osteopathische Tests am Becken auf ihre interindividuelle Reproduzierbarkeit (interexaminer reliability) hin zu untersuchen, und zum anderen herauszufinden, ob diese Tests im Kontext dazu geeignet sind, eine osteopathische Diagnose zu erstellen. Dabei wurde die Region des Beckens, in der die am meisten relevante Dysfunktion vermutet wurde, auf einen kleinen Bereich eingegrenzt. Darüber hinaus sollte die subjektive Urteilsfähigkeit der Therapeuten mit der sie die Verlässlichkeit erhaltener Testergebnisse einschätzten, beurteilt werden.

Methodik: 3 Osteopathen, die zugleich ihre Ausbildung am COE in München absolviert haben, führten im Hauptversuch an 21 symptomatischen Patienten mit Schmerzen in der LBH–Region jeweils 18 ausgewählte Tests am Becken durch, die sich aus Schmerzprovokationstests, Mobilitätstests, positionellen Tests und Horchtests zusammensetzten. Die Auswertung der Reproduzierbarkeit erfolgte mit Kappa-Wert. Darüber hinaus gab jeder Therapeut nach jedem Test auf einer Skala von 0 – 10 an, wie überzeugt er von der Richtigkeit seines Testergebnisses war. Die Testreihenfolge konnte individuell gewählt werden. Am Schluss jeder Testreihe gab jeder Therapeut an, wo er die relevanteste Dysfunktion im Bereich des Beckens vermutete.

Ergebnisse: Reliable Ergebnisse konnten nur die Schmerzprovokationstests erzielen, mit Kappa-Werten bis zu 0,712. Bei den Mobilitätstests erreichte der Test der Mobilität des Iliosacralgelenks mit bis zu 0,364 die besten Werte, die übrigen Mobilitätstests, die Tests der Muskeln und Ligamente, sowie die Positionstests mit Bestimmung der Landmarks konnten nicht überzeugen. Eine wichtige Ursache für die unterschiedlichen Testergebnisse liegt in der Ermessenstoleranz des Therapeuten, hängt also davon ab, ob er bei einer getesteten Struktur überhaupt einen Befund diagnostiziert, oder ob er die betreffende Struktur ohne Befund bewertet. Erstaunlich gut präsentierten sich die von uns vor der Testreihe als sehr subjektiv eingeschätzten Horchtests mit Kappa-Werten bis zu 0,262. Hochsignifikante Werte konnten bei der Analyse der subjektiven Einschätzung des Therapeuten bez. der Richtigkeit seines Testergebnisses mit Hilfe des Pearson Korrelationskoeffizienten festgestellt werden. Es stellte sich heraus, dass alle 3 Therapeuten nur bei reproduzierbaren Tests mit hohen Kappa-Werten an die Richtigkeit des Ergebnisses glaubten, während sie bei nicht reproduzierbaren Tests an der Richtigkeit des Testergebnisses eher zweifelten, was bedeutet, dass sie sich auf ihre Einschätzung verlassen können. Bei der Frage, ob eine reproduzierbare diagnostische Entscheidung getroffen werden kann, differieren die Kappa-Werte von -0,086 bis 0,481 stark.

Fazit: Nur Schmerzprovokationstests bringen reproduzierbare Ergebnisse, alle anderen Tests waren alles in allem nicht reliabel. Allerdings können sich Therapeuten auf ihre persönliche Einschätzung bezüglich der Richtigkeit eines Testergebnisses meist verlassen. Die Erstellung einer reproduzierbaren osteopathischen Diagnose ist grundsätzlich möglich, kann aber leider nicht verallgemeinert werden.