Os sphenoidale und Os ethmoidale – Entwicklung, Verknöcherung und Frage nach der Möglichkeit einer Mobilitätsteopathische

Ulrike Eser-Bindl

Hintergrund: Os sphenoidale und Os ethmoidale stellen wesentliche Bestandteile der Schädelbasis dar. Sie dienen in dieser Position zum einen als Kreuzungsstelle zwischen Hirn- und Gesichtsschädel, zum anderen befinden sich in beiden Knochen wichtige Nasennebenhöhlen, der Sinus sphenoidalis und ethmoidalis. Aufgrund dieser anatomischen Eigenschaften sind Keilbein und Siebbein im Rahmen osteopathischer Behandlung im Bereich des Schädels von besonderem Interesse.

Ziel der Arbeit: Das Ziel der vorliegenden systematischen Übersichtsarbeit besteht darin, sowohl die knöcherne Entwicklung von Os sphenoidale und Os ethmoidale sowie der Verbindung zwischen beiden aufzuzeigen als auch die Entstehung des Sinus sphenoidalis und der Cellulae ethmoidales im Zusammenhang mit den Verknöcherungsprozessen darzulegen. In einem weiteren Schritt soll die Frage nach einer Mobilität dieser Strukturen geklärt werden, die wiederum für das osteopathische Konzept von wesentlicher Bedeutung ist.

Methode: Es erfolgte eine systematische Literatursuche in den medizinischen Datenbanken Medline (1966 – 2002/07 week 1 – 4, Pre Medline 2002/07 week 3 ) und Embase (1988 – 2002/06). Weitere Literaturhinweise wurden den Referenzen und Bibliographien relevanter Arbeiten entnommen. Aufgrund der umfangreichen Themenstellung erwies sich eine Unterteilung in sechs Schwerpunkte als sinnvoll. Als Beurteilungskriterien der aufgefundenen Studien zu den einzelnen Themenbereichen dienten in erster Linie die Zahl der untersuchten Objekte, die Art der Untersuchungsmethode mit entsprechenden technischen Hilfsmitteln und das Alter der Studie.

Ergebnisse: Entsprechend der Unterteilung in sechs Themengebiete ergaben sich folgende Ergebnisse:

•  Verknöcherung des Os sphenoidale:

Die Ossifikation des Os sphenoidale beginnt pränatal zwischen frühestens der 8. Fetalwoche (Lamina medialis des Processus pterygoideus) und dem 9. Fetalmonat je nach Region des Sphenoids. Die Fusion der Vielzahl von Synchondrosen innerhalb des Os sphenoidale fängt zum Teil bereits in utero an, häufig ab der Geburt bis etwa zum Alter von einem halben Jahr. Diese Fusionsprozesse finden ihren Abschluß im Laufe der Kindheit bis spätestens im Jugendalter mit 12 bis 14 Jahren.

•  Schließung der Sutur bzw. Synchondrose zwischen Os sphenoidale und Os ethmoidale:

Bezüglich der Artikulation beider Knochen ist zwischen der Sutura pheno-ethmoidalis und den Rostrum-Ossicula Bertini-Synchondrosen zu unterscheiden. Die Verknöcherung beider Verbindungen beginnt in den ersten Lebensjahren und ist in den Rostrum-Ossicula Bertini-Synchondrosen bereits mit 3 Jahren abge­schlossen, während der Schließungsprozeß der Sutura spheno-ethmoidalis bis ins späte Jugendalter bzw. frühe Erwachsenenalter andauert (15 bis 19 Jahre).

•  Entwicklung des Sinus sphenoidalis:

Das Hauptaugenmerk dieser Arbeit ist auf die sekundäre Pneumatisation gerichtet, d. h. die Ausbreitung des Sinus sphenoidalis innerhalb des Os sphenoidale. Der frühestmögliche Beginn der Pneumatisierung des Sphenoids kann ab der Geburt bzw. den ersten Lebensmonaten registriert werden, sicher ist der Sinus sphenoidalis ab ca. 3 bis 4 Jahren nachweisbar. Die weitere Ausdehnung der Keilbeinhöhle kann bis zum Alter von 17 bis 30 Jahren anhalten.

•  Ossifikation des Os ethmoidale:

Die Verknöcherung beginnt pränatal im Bereich der seitlichen knorpeligen Nasenkapsel (Massae laterales und Conchae nasales) ab etwa dem 5. Fetalmonat. Gegen Ende des Fetalalters bzw. postnatal folgt die Ossifikation der Lamina perpendicularis und Crista galli. Über die Verknöcherung der Lamina cribosa findet bis zum Ende des 1. bzw. 2. Lebensjahres schließlich die Fusion zwischen den Labyrinthi ethmoidales und der Lamina perpendicularis bzw. Crista galli statt.

•  Entwicklung der Cellulae ethmoidales:

Die Pneumatisation der Labyrinthi ethmoidales beginnt ab dem 3. bis 5. Fetalmonat und dauert postnatal bis etwa ins Jugendlichenalter an.

•  Frage nach der Möglichkeit einer Mobilität obengenannter Strukturen:

Konkrete Angaben zum Nachweis der Mobilität von Os sphenoidale und Os ethmoidale existieren nicht. Bestimmte Orientierungspunkte des Os sphenoidale gehen jedoch in eine Studie zum radiologischen Nachweis der Schädelknochen­mobilität ein.

Ebenso konnte eine Studie über die elastischen Eigenschaften der Knochenwände der Nasennebenhöhlen als pneumatisches System aufgefunden werden.

Schlußfolgerung und Bedeutung für die Osteopathie: In Anlehnung an die Entwicklungsphasen von Os sphenoidale und Os ethmoidale innerhalb der Schädelbasis lassen sich verschiedene Phasen therapeutischer Einflußnahme mit entsprechend sich verändernder osteopathischer Zielsetzung ableiten. Des weiteren sind aufgrund der Tatsache, daß nach vollständiger Entwicklung der Sinus mehr oder weniger durchgehend pneumatisierte und in Verbindung stehende Räume die Schädelbasis ausfüllen, bisherige Vorstellungen von der Mobilität einzelner Schädelknochen in der Osteopathie zu überdenken.